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KRATOCHWIL Heinz

Franziskus

Rollen: Mutter Klara (Mezzo), Bruder Leonhard/Bischof/Erzähler (Bariton), Bruder Filippo/Franziskus (Bariton), Bruder Leo/Papst/Bote (Bass), Bruder Tomaso/Priester/Ritter (Tenor)

Untertitel

Kirchenoper (Libretto von Herbert Vogg)

Erscheinungsdatum
1987
Opus
op. 161
Dauer
75'
Bestell-Nr.
Aufführungsmaterial leihweise / 09 682 (Textbuch)
Texter
Herbert Vogg

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Beschreibung

Zur Musik: Franziskus ist Heinz Kratochwils (1933–1995) spät – in seinem 54. Lebensjahr – entstandener Opernerstling. In seinem Gesamtwerk überwiegen Vokalkompositionen vom Lied bis zu seinem umfang- und facettenreichen Chorschaffen: auffallend ist dabei die Bevorzugung lyrischer Texte. So dominiert auch in der Kirchenoper Franziskus ein verinnerlichter, lyrischer Tonfall, welcher der reflektierenden Perspektive des Librettos (dem „Spiel im Spiel“) entspricht. Diese undramatische Grundposition war dem Schauplatz der geplanten Uraufführung, der Kirche von Alpbach in Tirol, angemessen: ein kleines Orchester, Verzicht auf Massenszenen, minimaler Bedarf an Szenerie, Kulissen und Requisiten. Zentrales musikalisches Prinzip Heinz Kratochwils in dieser Oper ist sein „Synthese”-Gedanke: die Nutzung heterogener, oft gegensätzlicher Materialien zur Illustration des äußeren wie zur Deutung des inneren Gehaltes des Textes. So finden sich in der Partitur diatonische, mitunter sogar mittelalterlich-archaisierende Passagen neben schwebender und auch freier Tonalität, so arbeitet er mit kirchentonalen (vorwiegend dorischen und phrygischen) Leitern und Kadenzen ebenso wie mit einer Ganz-/Halbtonskala oder auch mit Zwölftonklängen. Dadurch ist das Hören von konsonanten und dissonanten Klängen einer ständig wechselnden Beurteilung ausgesetzt: ein Klang, der an einer Stelle Dissonanz signalisierte, kann in der nächsten Szene zur logisch entwickelten Konsonanz werden. Textdeutlichkeit und Plastizität des Wortes sind die maßgeblichen Kriterien für die Gestaltung der Gesangspartien: die Solisten müssen dem natürlichen Redefall, der natürlichen Betonung folgen. Daher gibt es auch keine längeren Passagen gleicher Taktart (mit Ausnahme des düsteren Kreuzritter-Marsches). Die wenigen Melismen zeigen ganz besondere Momente an, etwa Franziskus‘ Jubelruf „Mein Gott” nach dem Kuss des Aussätzigen in der 7. Szene. Weite Strecken der Partitur sind als Recitativo accompagnato angelegt, oft mit zusätzlichen imitatorisch geführten Obligatinstrumenten. Die Stimmungen und deren Veränderungen werden also primär über die vielfältigen Formen und Möglichkeiten der Harmonik ausgedrückt. Das betrifft auch den Chor, der fast ausschließlich im homophonen Satz singt und dabei in seiner jeweiligen Rolle (oft die so wichtige „innere Stimme”!) die herrschenden Leitern und Modi vorgibt. Die Schlüsselstelle ist hier die 14. Szene, die Stigmatisierung, die der Chor gleichsam solistisch über Filippo-Franziskus hinweg trägt. Die Oper enthält einige durchgehende Motive, die nicht an Personen, sondern an Situationen oder Zustände gebunden sind. Die zwei wichtigsten tauchen schon in dem kurzen Orchestervorspiel auf, insbesondere das dreitönige Motiv a‘-c”-a‘-g‘-a‘, das als „kürzestes Gebet” („Iddio mio”, „Mein Gott”) für die Versenkung des Menschen in Gott steht. Eine besondere Rolle spielt der Tritonus in all seiner Vielfalt: von den schneidend-bedrohlichen Tritonusparallelen der Kreuzritter über die lineare Folge zweier entgegengesetzter Tritonusschritte als Schmerz- und Kreuzsymbol (vergleiche J. S. Bachs „Johannes-Passion”) bis zum Sinnbild der Wende, des Neubeginns („Ich kehre um”). In Kratochwils Synthese-Prinzip ist auch die U-Musik integriert: ihre Rolle spüren wir am deutlichsten in den freudigen Stimmungen des Franziskus (Bongos etc.). In leicht ironisierender Form tritt in der 7. Szene ein aus der U-Musik bekanntes harmonisches Muster in Erscheinung, das als Illustration der irdischen Karrierewünsche Franziskus’ (Playboy, Schlagersänger, Schlachtenheld) in drei Charaktervariationen aufscheint. Tiefe, dunkle und gedeckte Farben dominieren im Orchester, korrespondierend zu der Besetzung der Vokalsolisten. Oboe und Klarinette wechseln häufig zu Englischhorn und Bassklarinette; Violinen fehlen völlig. Das „Begleitinstrument” von Filippo-Franziskus ist die Viola, ausgehend von seinem Spiel mit einem Zweig auf einem Ast. Das Horn ist meist den drei Holzbläsern als Bassfundament zugeordnet, erfüllt aber auch solistische Aufgaben. Die Trompeten steuern je nach Situation Glanz, Würde, Schärfe oder Schmerz bei. Als Continuoinstrument dienen abwechselnd Cembalo und E-Piano, den Synthesegedanken auch aus der Perspektive des Instrumentenbaues darstellend. Gustav Danzinger (aus dem Text zur Uraufführung)

Inhalt

Zur Handlung: Der Text zur Oper Franziskus beruht weitgehend auf historischen Quellen zum Leben des Heiligen Franz von Assisi (1182–1226) und seines jungen Ordens. Diesen Quellen sind auch die Figuren der Oper entnommen: die Hl. Klara, die 17jährig zu Franziskus kam und den „Zweiten Orden” gründete, Bruder Bernhard von Quintavalle, der erste Gefolgsmann des Franziskus, Bruder Leo, ein Geistlicher, Beichtvater und Sekretär von Franziskus, Bruder Tomaso (Thomas von Celano) und Bruder Filippo, der „von einem Engel mit feuriger Kohle auf den Lippen berührt” war. Kaum zwei Jahre nach seinem Tod wird Franziskus am 16. Juli 1228 in Assisi heiliggesprochen. Die Mitbrüder, in der kleinen Kapelle Santa Maria degli Angeli versammelt, betrachten die Grundsteinlegung zu einem prächtigen, dem Franziskus geweihten Dom als Widerspruch zum Leben und Wirken des „Bräutigams der Armut". In einem improvisierten, freudigen Spiel der Erinnerung gestalten sie einzelne Lebens-Stationen ihres Ordensgründers. Filippo übernimmt die Rolle des Franziskus, seine Mitbrüder Bernhard und Leo spielen zunächst den Bischof Guido von Assisi und den allmächtigen Papst Innozenz III. Die Hl. Klara spielt sich selbst, wie sie zu Franziskus kam und bei ihm, mit ihm Gott suchte und fand. Eine Rückblende erzählt die Bekehrung und Selbstfindung von Franziskus bis hin zum Empfang der Wundmale auf dem Berg La Vernia in Abgeschiedenheit und tiefster Versenkung in das Leiden und die Liebe Christi: an dieser Stelle vermag Bruder Filippo das Spiel nicht mehr fortzusetzen. Klara schließt den berühmten „Sonnengesang” an, dieses freudige Loblied auf die gesamte Schöpfung, das Franziskus in seinem letzten Lebensjahr unter Schmerzen, fast völlig erblindet und schwer krank, verfasste. – Das Spiel ist zu Ende: noch einmal stellen Leo und Bernhard die Frage nach dem Sinn, dem neuernannten Heiligen eine prächtige Kirche zu bauen. Filippo antwortet: es ist die Armut des Volkes, wie des Papstes. Zur Nachfolge sind sie zu schwach, so wollen sie auf diese Weise Gott für Bruder Franziskus danken. „Dem Heiligen Gottes”, so schließt Klara, „errichten wir den prächtigsten Dom in unserem Herzen”.