Geneté für Violoncello und Klavier

Das Stück wurde anlässlich der Geburt unserer Tochter Julia Christine (Geneté [spätgriechisch] ... Geburt) als Auftragswerk des Cellisten Wolfgang Panhofer, dem es auch gewidmet ist, komponiert. Panhofer ist ein spannender Musiker, fast schon an der Grenze ver-rückter Genialität. Einerseits die interpretatorischen Möglichkeiten des Solisten vor Augen, andererseits das Geburtserlebnis als ein Ver-rücken eines Menschenwesens in eine andere Dimension – nämlich in die reale Existenz – ergaben ein ruckartiges, ein drängendes, drückendes Stück von hoher Spannung. Diese manifestiert sich auch in einer maximalen Divergenz gleichartigen Tonmaterials. Verschiedene Formteile stehen schroff, scheinbar keine Verbindung habend, gegeneinander, ein Symbol der Trennung unterschiedlicher Erlebniswelten. Das Stück hat zwei tonale Schichten. Eine zu Beginn erklingende „fiktive Tonalität der Obertöne des Glockenspektrums“, den vorgeburtlichen Zustand symbolisierend, und eine real klingende Teiltonreihe, den Nachgeburtszustand symbolisierend. Beide Obertonreihen orientieren sich an einem Zentralton (D) – G/A im Cello sind zu Beginn noch ganz Geräusch durch die Spielweise „col legno battuto“, Cis/Es im Klavier, die beiden Leittöne nach D, stehen im Tritonus dazu, die klangliche Realisierung maximaler Divergenz! Ein neuer Formteil ab Ziffer B führt zu einem Festsetzen von Gis, der Tritonus zum Ton D, der bei Ziffer E vollends erreicht wird. Die Austrittsphase, das Verrücken des Kindes, setzt ein. Das Verrücken selbst ist als Übergang kompositorisch locker gearbeitet. Die Geburtswehen werden durch die Obertonreihen der Töne Cis und Es dargestellt. Das mündet in eine sehr drängende Solokadenz des Violoncellos, in sich durch motivisches Material durchbrochen. Die Geburt ist vorbei, der Kindsatem setzt ein; es darf sich jetzt selbst behaupten – ein Antwort gebender Zwiegesang, ein „Mutter-Kind-Antiphon", ist die Folge. Den Schluss bildet die Trauer der Mutter über das Ende der Schwangerschaft, doch das Leben geht weiter. Wohin wird es führen? Noch ist kein „Leitbild“ in Sicht, sicher ist nur die D-Tonalität, das Energiezentrum des Stücks. Thomas Herwig Schuler