Werk

Noten
suchen und finden

RESCH Gerald

Grounds

Untertitel

für Ensemble (2008/09)

Erscheinungsdatum
2009
Dauer
18'
Bestell-Nr.
Aufführungsmaterial leihweise

Keine Medien vorhanden

Beschreibung

In der englischen Renaissance-Musik gab es eine interessante – aus heutiger Sicht fast postmodern anmutende – Tradition, eine alte Melodie (den „In Nomine“-Cantus-Firmus aus einer Messe von John Taverner, um 1525) in neue kontrapunktische Stücke zu verweben. Es scheint ein Ehrgeiz der Komponisten wie Thomas Tallis, William Byrd, Orlando Gibbons und anderen gewesen zu sein, diesen Cantus Firmus in den Strukturen ihrer Kompositionen oft gewissenhaft zu verstecken und Stücke mit ganz unterschiedlichem Stimmungsgehalt auf den immer gleichen Cantus Firmus zu komponieren (alleine von Christopher Tye sind 24 „In Nomine“-Vertonungen erhalten). Einer der letzten Komponisten, der diese Tradition nochmals aufleben ließ, obwohl er selbst schon in einer ganz anderen Zeit lebte, war Henry Purcell mit seinen Gambenphantasien aus dem Jahr 1680. Die „In Nomine“-Technik war zu dieser Zeit bereits hoffnungslos anachronistisch: Ein spielerisches und maniriertes „Als ob“. Gelegentlich trifft man auf eine Musik, die man bedingungslos und gewissermaßen schutzlos liebt: Die Gambenphantasien von Henry Purcell zählen für mich zu diesen Werken. Bei Grounds (das ist die altenglische Bezeichnung für kontrapunktische Kompositionen, die auf einem Cantus Firmus beruhen) war es mein Wunsch, die Schönheit der Musik Henry Purcells intakt zu lassen. Vor allem aber interessierte mich dieser dreifache Bruch: Um 1600 zitiert man eine veraltete Melodie. 1680 zitiert Purcell eine veraltete Schreibweise, und mehr als 300 Jahre später versuche ich, das Zitat des Zitats zu zitieren. So liegt auch meinem Stück der „In Nomine“-Cantus-Firmus zugrunde: Alle harmonischen, melodischen und rhythmischen Ableitungen des vollchromatischen Tonmaterials lassen sich als Ableitungen auf diese „Urlinie“ zurückführen. In den fünf Sätzen von Grounds gibt es eine Dramaturgie der Annäherung und Entfernung. Im ersten Satz („In Nomine 1“) entfaltet sich meine Musiksprache ganz frei in einer Serie von Veränderungen über dem Taverner-Cantus-Firmus. Im zweiten Satz („Ground 1“) fingiert derselbe Cantus Firmus als harmonisches Skelett für eine sehr rasche, schattenhafte Bewegung. Im dritten Satz („Mobile. Hommage à Henry Purcell“) verwende ich umgeformte motivische Wendungen aus Purcells „In Nomine“-Komposition, um mich nach und nach seiner Musiksprache anzunähern, bevor der vierte Satz Purcells Stück wörtlich zitiert. Erst gegen Ende bleibt die Musik hängen und verwandelt sich zu meiner Tonsprache zurück, die im abschließenden fünften Satz („In Nomine 2“) zurückhaltend und wie aus der Ferne frei und abstrahiert erneut auf den „In Nomine“-Cantus-Firmus reflektiert. (Gerald Resch)