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KRATOCHWIL Heinz

Orpheus

Text: Krato (Heinz Kratochwil)Solisten: Orpheus (Bariton), Eurydike (Mezzo), Persephone (Alt), Charon (Bass), Sprecher

Untertitel

Kammeroper in vier Bildern

Erscheinungsdatum
1993
Opus
op. 178
Dauer
28'
Bestell-Nr.
Aufführungsmaterial leihweise

Keine Medien vorhanden

Beschreibung

Der Orpheus-Mythos hat mich durch Jahrzehnte immer wieder beschäftigt; er ist für mich ein völlig zeitloses Thema, da Liebe und Tod letztlich die Angelpunkte der menschlichen Existenz darstellen. 1960 schrieb ich eine Kantate „Orpheus“ nach eigenem Text, 1969 ein Ballett gleichen Namens, aus dem ich 1978 mein Adagio für Streichorchester extrahierte. In die nunmehr vorliegende Kammeroper sind Elemente der vorangegangenen Orpheus-Kompositionen eingeflossen: Teile der Texte der Kantate dienen einem Sprecher als poetische Kommentare zum Geschehen, überdies wurden auch besonders expressive Themen daraus entnommen. Und Teile aus dem Adagio für Streichorchester in relativ großer Besetzung bereichern die klangliche Palette und umrahmen das ganze Werk. Die Besetzung der neuen Komposition ist recht dunkel gehalten: Bariton, Mezzo, Alt und Bass werden von Englischhorn, Bassklarinette, Kontrafagott, Horn, Trompete (in der Schlussszene) und reich besetztem Schlagzeug begleitet. Dazu treten – für besondere Passagen im Hades – elektronische Klänge. Man kann Streichorchester-Passagen und elektronische Klänge bei der Aufführung vom Tonband zuspielen oder auch die gesamte instrumentale Begleitung zuvor aufnehmen und aus Lautsprechern abspielen (von Vorteil insbesondere bei den auf völlig verdunkelter Bühne gespielten Teilen). Die Musik ist überwiegend überaus expressiv gehalten, wobei die harmonischen Mittel vom schlichten Dreiklang bis zum geballten Zwölfklang reichen. Der Kerngedanke des Orpheus-Mythos liegt in der grenzüberschreitenden Macht von Liebe und Schmerz, die über das Medium der Musik den Menschen in andere Bewusstseinszustände und somit auch in das Reich des Todes zu entführen vermag. Seit Urzeiten gehören zu den Kultformen des Schamanismus spirituelle „Reisen“ in die Unterwelt, die gleichzeitig auch Reisen in das eigene Unterbewusstsein darstellen. Es macht betroffen, dass die damit verbundenen Visionen mit den Berichten klinisch Toter, die wieder ins Leben zurückgeholt wurden, weitgehend übereinstimmen. Dass Orpheus seine Eurydike in dem Moment, in dem er sie anblickt, für immer verloren zu haben scheint, wird in der Kammeroper in einer ähnlichen Weise wie in dem Schillerschen Gedicht „Das verschleierte Bild von Sais“ gedeutet. Dort ist von einem wissensdurstigen Jüngling die Rede, der in einem Tempel entgegen striktem göttlichem Verbot den Vorhang von einem Bild wegzieht, auf dem die „Wahrheit“ zu schauen ist. Als Sterblicher von dieser Erkenntnis überfordert, wird er anderntags „besinnungslos und bleich“ aufgefunden. „Ihn riss ein tiefer Gram zu frühem Grabe“ – Als Eurydike im Hades ihren Orpheus nicht wiedererkennt, reißt er sich – in quälenden Zweifeln über ihre Identität – die Schutzbrille von den Augen – und erblindet an dem grellen Strahl des göttlichen Lichts, das „kein Menschenaug‘ erträgt“. In seiner Verzweiflung ob des scheinbar endgültigen Verlustes seiner Eurydike und zugleich seines Augenlichtes sucht er nun selbst den Tod, er kehrt „heim in der Mutter Schoß“. Nun, da auch er dem Totenreich angehört, erkennt ihn seiner Eurydike. Zugleich erfüllt sich die Prophezeiung Persephones, der Herrscherin des Hades: „Und auch du wirst sie zum erstenmal erkennen als dein Gegenbild, als deine Anima, als einen Teil von dir selbst. Du wirst eins sein mit ihr, eins sein mit dir! – eins mit den unendlichen Schwingen des Alls!“ Die beiden Liebenden stürzen einander in die Arme: „Ewig dein, in ewigblauer Nacht“, und in der „unio mystica“ versinken sie im Dunkel der ewigen Nacht. (Heinz Kratochwil)

Inhalt

Die Kammeroper "Orpheus" kreist um den Gedanken von Liebe und Schmerz. Die dunkel gehaltene Musik dient als Medium der Klage und Trauer ebenso wie als Möglichkeit, Eurydike aus dem Totenreich zu entführen. Dramaturgisch greift Kratochwil auf den Topos der spirituellen Reisen aus urzeitlichen Kulturformen zurück. Orpheus steigt nicht nur in die Unterwelt, sondern auch in sein eigenes Unterbewusstsein hinab, um die Wahrheit zu schauen. Entgegen den bisherigen Orpheus-Sujets stirbt der Sänger , weil er erst in diesem Zustand von Eurydike erkannt werden und mit ihr "im Dunkel der ewigen Nacht" versinken kann.